Brief von Nekane zur Demo in Bern am 24.9.16

Meine Lieben
Zuerst will ich mich für eure Solidarität und Stellungnahmen zu meinem Fall bedanken. Während dieser fast 7 Monate habe ich verschiedene Seiten der Schweiz kennen gelernt: Die bürokratische aber auch die solidarische – in einander entgegengesetzter Position. Die Bürokratie sieht die Beziehungen zum spanischen Folterstaat als prioritär an und will mich wegen meiner politischen, sozialen und feministischen Einstellungen erneut bestrafen. Obwohl zahlreiche Beweise und Berichte meine Folter bestätigen, obwohl Antifolterorganisationen wie die OMCT, Humanrights und Amnesty International mich als Folteropfer anerkennen, wollen mir die Schweizer Behörden nicht glauben.

Nach 5 Tagen brutaler Folter in den Händen der paramilitärischen Guardia Civil im Jahr 1999, versuchte der gesamte Spanische Folter-Apparat die Folter zu vertuschen. Ärzt_innen, Richte_innen und Medien haben die Augen, die Ohren und den Mund verschlossen. So hat die systematische Folter gegen Bask_innen jahrelang funktioniert und bis heute existiert „la ley antiterrorista“, das es verschiedenen Polizeikorps in totaler Straflosigkeit ermöglicht, Verdächtige während fünf Tagen in „Incomunicado“-Haft einzusperren und Folter anzuwenden. Dieses Gesetz wird von den Gerichten gestützt, die Folter wird nicht verfolgt, sondern die Folteropfer werden durch lügnerische Propaganda deskreditiert und die Folterer erhalten Auszeichnungen. Ich bin nur eine von mehr als 5000 baskischen Folteropfern, nur die Spitze dieses Folter-Eisberges. Inzwischen versucht Europa und die Schweiz den spanischen Staat als Rechtsstaat darzustellen und die politischen und diplomatischen Interessen werden Menschenrechten vorgezogen. Die Menschenrechte werden nicht angewandt, sondern sind nichts weiter als unterschriebene Konventionen.
Aber es gibt auch eine andere, solidarische Seite! Immer mehr Personen, Politiker_innen, Gruppierungen wie ihr es seid setzen sich gegen diese Ungerechtigkeit und Barbarei ein. Diejenigen Leute, die mit dem Herz denken, sich für die Rechte und die Freiheit der Menschen interessieren und sich engagieren. Personen, die nicht blind, taub und stumm bleiben. Bern wurde mit der Demo im September ein schönes Beispiel dafür.
Im Gefängnis, versetzen mich viele alltägliche Situationen immer wieder gedanklich in die Zeit im Folter-Kommissariat, ich kämpfe jeden Tag gegen diese Erinnernerungen, diese Ängste und die Bilder der Folter. In einem Alptraum gefangen und unter unwürdigen Haftbedingungen geben mir der Kampf gegen die Folter und eure Solidarität Halt. Ich hoffe, dass ihr in diesem Kampf an meiner Seite bleibt und dass wie gemeinsam die beschriebene Bürokratie zur Gerechtigkeit zwingen. Wir sind keine Marionetten, wir lassen die Asylpolitik und die Bürokrat_innen nicht mit unseren Leben und Rechten spielen. Wir brauchen Anerkennung, um unsere politischen und zivilen Rechte zu erlangen und frei leben zu können.

Mit solidarischen Grüssen,
Nekane
Baskische politische Gefangene