Die Schweiz will die baskische Aktivistin Nekane Txapartegi an Spanien ausliefern. Txapartegi wurde nach eigenen Angaben von der spanischen Militärpolizei gefoltert. Diesen Foltervorwurf hat die Schweiz nach Ansicht eines Uno-Vertreters nicht ausreichend untersucht. (24.4.2017)
(sda) Der Uno-Sonderberichterstatter über Folter hat an die Schweiz appelliert, die Baskin Nekane Txapartegi nicht an Spanien auszuliefern. Sollte das Bundesgericht die Ausweisung bestätigen, riskiere die Schweiz ein Gerichtsurteil anzuerkennen, das auf einem durch Folter erzwungenen Geständnis basiere. Das wäre ein Verstoss gegen das Folterverbot. Das schreibt der Uno-Sonderberichterstatter Nils Melzer am Montag in einer Mitteilung.
Txapartegi sei 1999 von Mitgliedern der spanischen Militärpolizei Guardia Civil verhaftet worden. Sie sei fünf Tage lang in sogenannter «Incommunicado»-Haft im Keller eines Kommissariats in Madrid festgehalten und dabei schwer gefoltert worden, schreibt Melzer. Während dieser Haft haben Gefangene keinen Kontakt zur Aussenwelt oder zu Anwälten. Angehörige wissen nicht, wo die Gefangenen sind.
Melzer teilte weiter mit, laut seinen Informationen war Txapartegi in den ersten 120 Stunden ihrer Haft unter anderem vergewaltigt und unsittlich berührt und mit Fausthieben geschlagen sowie gewürgt geworden. Zudem sei sie mit Elektroschocks und Schlafentzug sowie mit Scheinexekutionen gefoltert worden. «Nach fünf Tagen brutalen Verhören hat Frau Txapartegi schliesslich ‘gestanden’, in kriminelle Aktivitäten der ETA verwickelt gewesen zu sein», schrieb Melzer. Es gebe zahlreiche Hinweise, dass dieses unter Folter abgepresste Geständnis die Basis für die Verurteilung Txapartegis gewesen sei, und dieses Urteil wiederum liege dem Auslieferungsbegehren des spanischen Staates an die Schweiz zu Grunde.
2009 wegen ETA-Unterstützung verurteilt
In Spanien war Txapartegi 2009 wegen Unterstützung der baskischen Untergrundorganisation ETA verurteilt worden. Die Freiheitsstrafe betrug ursprünglich sechs Jahren und neun Monate: sie wurde kürzlich auf drei Jahre und sechs Monate reduziert. Txapartegi floh nach ihrer Verurteilung in die Schweiz. Im April 2016 wurde sie in Zürich festgenommen und in Auslieferungshaft gesetzt. Im März bewilligte schliesslich das Bundesamt für Justiz (BJ) ihre Auslieferung nach Spanien. Die baskische Aktivistin habe nicht glaubhaft darlegen können, dass sie in Spanien gefoltert worden sei, begründete das BJ seinen Entscheid.
Der Uno-Sonderberichterstatter kritisierte in seiner Mitteilung, es mache den Anschein, dass die Schweizer Behörden nicht alle in Spanien und der Schweiz erstellten Arztberichte und Zeugenaussagen berücksichtigt hätten, die die Foltervorwürfe Txapartegis erhärteten. «Der Entscheid der Schweiz scheint damit den im Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe festgeschriebenen fundamentalen Prinzipien zu verstossen», schrieb Melz weiter. Kardinalsregel sei, ein unter Folter erpresstes Geständnis oder daraus gewonnenes Material niemals als Beweis in einem Strafverfahren zuzulassen.
Schweiz soll Uno-Standard anwenden
Weiter gelte es zu beachten, dass Folteropfer schwer traumatisiert seien. Es sei deshalb oft schwierig für diese, schlüssige Aussagen zum Erlittenen zu machen. Es sei deshalb zwingend, dass die Behörden bei Folteropfern weniger strenge Massstäbe ansetzten. Aus diesem Grund müsse die Schweiz das so genannte Istanbul-Protokoll anwenden. Das Protokoll ist ein Uno-Handbuch für die Untersuchung von Menschen, die Foltervorwürfe erheben und diese Befunde dokumentieren zuhanden von Ermittlungsbehörden und der Justiz. Die Schweiz wendet das Istanbul-Protokoll nicht an.